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Famulatur Allgemeinchirurgie in Tribal Hospital (1/2016 bis 2/2016)
- Station(en)
- Poliklinik
- Einsatzbereiche
- Station, OP, Notaufnahme, Diagnostik, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde
- Heimatuni
- Budapest
- Kommentar
- Seit f�nf Jahren studiere ich nun Medizin. Meine bisherigen praktischen Erfahrungen habe ich in ungarischen und deutschen Krankenh�usern gesammelt, in Gesundheitssystemen, die im internationalen Vergleich einem hohen Standard entsprechen. CT und MRT Ger�te geh�ren bei uns in Europa inzwischen zur Grundausstattung. Effizienz und Wirtschaftlichkeit werden gro�geschrieben. Die Krankenversicherung ist Pflicht. Doch wie wird die medizinische Grundversorgung in L�ndern gew�hrleistet, die sich diese, unsere Norm nicht leisten k�nnen? Auf der Suche nach einem Praktikumsort, an dem Ressourcen beschr�nkt sind, �rzte nur mit einfachen, grundlegenden Mitteln auskommen m�ssen und der Stellenwert des Zuh�rens und Mitf�hlens eines Arztes noch ein h�herer ist als seine Effizienz, bin ich auf das Projekt der Tribal Health Initiative in Sittilingi, Indien, gesto�en.
Sittilingi ist eines von 21 kleinen Ortschaften des Sittilingi Tals im n�rdlichen Binnenland Tamil Nadus in Mitten der Kalrayan- und Sitheri Bergketten. Mehr als 200 Jahre lang war das Tal von der Zivilisation abgeschnitten, bis die indische Regierung Anfang der 90er Jahre den Bau einer ersten Stra�e durch das Tal in Auftrag gab. Medizinische Versorgung als solches existierte bis zu diesem Zeitpunkt nicht, zum einen weil es keine �rzte in der Gegend gab und zum anderen, weil sich der Gro�teil der von der Landwirtschaft lebenden Bev�lkerung medizinische Untersuchungen, Eingriffe und Medikamente nicht leisten konnte. Dies sollte sich �ndern, als 1992 zwei junge �rzte, Dr. Regi George und Dr. Lalitha Regi, die erste Arztpraxis des Tals er�ffneten. Was zu Beginn aus einer H�tte mit vier Mitarbeitern bestand, hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einer kleinen Poliklinik entwickelt. Durch Spenden finanziert, kann das Krankenhaus heute eine Station mit 42 Betten betreuen, einen Geburtstrakt Tag und Nacht mit Personal besetzten, an vier Tagen pro Woche Sprechstunden und an zwei Tagen Operationen durchf�hren. Einheimische Frauen werden in der Klinik zu Krankenschwestern und Gesundheitshelfern ausgebildet und unterst�tzen die �rzte in ihrer Arbeit im Labor, auf Station und im OP, in Hausbesuchen und in der Aufkl�rungsarbeit in den Bereichen der Familienplanung und Hygiene. Seit zehn Jahren steht den Gr�nder�rzten der THI (Tribal Health Initiative) des Weiteren Dr. Ravikumar Manoharan zur Seite, der mit seiner Frau Prema Ravikumar inzwischen die Leitung der �rztlichen und pflegerischen Arbeit �bernommen hat. Verst�rkung bekommt das kleine �rzteteam au�erdem jedes Jahr von mehreren frisch gebackenen Assistenz�rzten, die sich nach ihrem Medizinstudium dazu entschlie�en, f�r ein bis zwei Jahre in Sittilingi zu arbeiten. Deren Hilfe ist vor allem deshalb wichtig, weil sich Dr. Regi George und Dr. Lalitha Regi seit einigen Jahren nicht mehr nur auf die medizinischen Aspekte der Gesundheitsf�rderung beschr�nken, sondern inzwischen Initiativen gegr�ndet haben, die der einheimischen Bev�lkerung neue und vor allem ertragreiche Einkommensquellen bieten sollen. Dazu z�hlt zum Beispiel die Sittilingi Organic Famers Association, in der die einheimischen Landwirte lernen, biologisch anzubauen, um Kosten f�r teure chemische Pestizide einzusparen, um ihr Getreide auf einem Markt anbieten zu k�nnen, der von den Gro�bauern unabh�ngig ist, und um gleichzeitig die Gesundheit der einheimischen Konsumenten zu f�rdern. Ein weiteres Projekt, das zu einer gesunden Gesellschaft beitragen soll, ist die so genannte Tribal Craft Initiative. Hier stellen Frauen Kleidung gem�� traditionell �berlieferten Techniken her, besticken sie und verkaufen sie auf Messen im ganzen Land. Somit tragen die Frauen zum h�uslichen Einkommen bei, werden ermutigt, auf ihre Tradition und Kultur stolz zu sein und nehmen eine neue Rolle in der Gesellschaft ein. Nicht zuletzt beinhaltet das THI Projekt auch eine Bildungsinitiative, Thulir, die es einheimischen Kindern erm�glicht, ihre Bildungsl�cken zu f�llen, die durch das schlecht organisierte Bildungssystem der Regierung leider zur Normalit�t geworden sind. Seit kurzem haben Grundsch�ler dort auch die M�glichkeit, ihre gesamte Schulbildung unabh�ngig von der Regierung zu erlangen.
Wom�glich ist es schon nach dem Lesen dieses ersten Abschnittes offensichtlich, dass Sittilingi ein ganz besonderer Ort ist, mit ganz besonderen Menschen. Und ich kann nur sagen, dass meine Erfahrungen dort ebenfalls ganz besondere waren.
Bevor ich meine Reise nach Indien antrat, war ich �berraschend nerv�s. Ich hatte wenig �ber Land und Leute gelesen, wenig geplant und mich auch auch kaum mit meinem Praktikum auseinandergesetzt. Und so bin ich Ende Dezember mit einem etwas mulmigen Gef�hl im Bauch in den Flieger gestiegen. Meine Anreise war gepr�gt von Schlafmangel, Nervosit�t und einem Gef�hl der �berw�ltigung beim Verarbeiten der ersten Eindr�cke dieses facettenreichen Landes. Doch als ich nach gut 40 Stunden Reise um 6 Uhr morgens vom Zug in die schw�le, dicke Morgenluft in Valappadi stieg, ein Fahrer der THI und Dr. Lalitha Regi mich auf einem staubigen, dunklen Schotterplatz, dem so genannten Busbahnhof, zu meinem ersten Chai einluden, da waren die Anstrengungen der letzten beiden Tage schon wie verflogen. Denn die unbeschreibliche Gastfreundschaft, die sich schon in den ersten Minuten meines Aufenthalts in Sittilingi abzeichnete, sollte letztendlich die Gesamtheit meines Praktikums pr�gen. Schon zwei Stunden nach meiner Ankunft wurde ich bei der morgendlichen Meditation den Mitarbeitern vorgestellt, anschlie�end gab mir Dr. Ravi die Tour �ber den Campus, erkl�rte mir den Tagesablauf und eine knappe halbe Stunde sp�ter stand ich in Flipflops und OP-Kleidung neben den beiden Assistenz�rzten, Sharan und Sangeetha, am OP-Tisch und starrte in die offene Bauchh�hle einer jungen Frau. Meine erste weibliche Sterilisation. Und schon war ich Teil der THI Gemeinschaft.
In den kommenden Wochen konnte ich im OP vieles sehen: H�morrhoiden Entfernungen, Abszess Drainagen, Amputationen, gyn�kologische Eingriffe, eine Operation am Darm (Gastrojejunostomi), Kaiserschnitte. Das Spektrum war ein breites. Einige Male durfte ich assistieren und h�tte ich etwas mehr Zeit in Sittilingi verbracht, h�tte man mir den einen oder anderen Eingriff gerne beigebracht. Neben den Stunden im OP, habe ich die �rzte in ihren Sprechstunden begleitet. Dort hat man mir stets die Beschwerden der Patienten erkl�rt, hat mich Patienten untersuchen und mich die Diagnosen stellen lassen. Hierbei war es nicht von Bedeutung, ob ich die beiden Assistenz�rzte, Dr. Ravi, Dr. Lalitha oder Dr. Regi begleitete. Jeder einzelne von ihnen war gleich bem�ht mich in ihre Arbeit mit einzubinden. Ich wurde gerufen, wenn es etwas Interessantes in der Notaufnahme zu sehen gab, mir wurden Platzwunden zum N�hen �berlassen und man hat mich animiert, Fragen zu stellen, wenn mir Dinge unklar waren. So konnte ich zum Beispiel viel �ber Krankheiten lernen, die in weiten Teilen Europas nicht allgemein verbreitet sind: Tuberkulose, Lepra, Dengue Fieber, Malaria sind ein paar dieser Beispiele.
Generell fiel mir in den Sprechstunden auf, dass sich sowohl der Arbeitsalltag, als auch die diagnostische Herangehensweise der indischen Mediziner nicht sonderlich von der eines deutschen Hausarztes unterscheiden. Es wird so lange gearbeitet, bis keine Patienten mehr zu versorgen sind und eine ausf�hrliche Anamnese und k�rperliche Untersuchung, Ultraschall, Blutwerte, EKG und R�ntgenaufnahmen sind ausreichend, um den Gro�teil der Diagnosen zu stellen und die entsprechende Behandlung einzuleiten. Nur in F�llen, in denen es absolut notwendig ist, wird ein Patient an das n�chst gr��ere Krankenhaus �berwiesen, das sich drei Stunden Busfahrt von Sittilingi entfernt befindet und das die entsprechenden Mittel und Ger�te zur Verf�gung hat, um komplizierte Eingriffe zu t�tigen.
Was mir von der Arbeit in Sittilingi als ganz besonders positiv in Erinnerung bleiben wird, ist, dass sowohl der Chirurg, als auch der An�sthesist oder die Krankenschwester, den Patienten, dessen Lebensumst�nde und Krankengeschichte, genauso gut kennt, wie der Allgemeinarzt selbst. Das liegt zum einen nat�rlich daran, dass der Allgemeinarzt eben auch gleichzeitig Operateur oder An�sthesist ist, aber zum andren auch an der exzellenten Kommunikation unter den �rzten und dem restlichen Personal. Die Stimmung in der THI ist kollegial, die Hierarchie ist flach und so kam es zum Beispiel auch, dass ich nach Ende des Arbeitstages die Abende mit den beiden Assistenz�rzten, Sharan und Sangeetha, Dr. Ravi und seiner Frau Prema habe ausklingen lassen k�nnen. Bei Tee oder Kaffee sa� man zusammen und hat versucht L�sungen f�r die Probleme der Welt zu finden, hat sich die Zeit mit Carrom (Fingerbilliard) oder Skat vertrieben, bevor man schlie�lich zu sp�ter Stunde zusammen gekocht und zu Abend gegessen hat. Aber nicht nur der Kontakt zu den �rzten war eng, auch die restlichen Mitarbeiter waren einfach unglaublich gastfreundlich. Als gegen Ende meines Praktikums das tamilische Erntedankfest (Pongal) gefeiert wurde, habe ich f�r mehrere Tage fast ausschlie�lich bei unterschiedlichen Familien zu Mittag und zu Abend gegessen, bei Familien, die mir alle stolz ihr Zuhause, ihre Kultur und ihre Kochk�nste zeigen wollten. Und so verging die Zeit wie im Flug. Am Ende viel es mir schwer zu gehen.
In den drei Wochen, in denen ich in Sittilingi zuhause sein durfte, habe ich einen erstaunlich intensiven Einblick in die Kultur Tamil Nadus erhalten und auch der medizinische Aspekt meiner Zeit in der Tribal Health Initiative war spannend und bereichernd. Doch am wertvollsten werden f�r mich auf lange Sicht die vielen neu gekn�pften sozialen Kontakte sein, die mir unglaublich sch�ne Erinnerungen an mein Praktikum in Hinterland Tamil Nadus geschenkt haben. F�r mich wird Sittilingi immer ein besonderer Ort sein. Ein Ort, an dem Gesundheit als ganzheitliches Konzept verstanden und umgesetzt wird. Ein Ort, an dem das Engagement ganz besonderer Menschen durch Hilfe zur Selbsthilfe die Lebensqualit�t einer gesamten Bev�lkerungsgruppe verbessert.
Webseite der Tribal Health Initiative: http://www.tribalhealth.org
https://www.facebook.com/tribalhealthinitiative/
Webseite Freunde von Sittilingi e.V.: http://www.sittilingi.de
- Bewerbung
- min. 6 Monate, besser 1 Jahr im Voraus unter http://www.tribalhealth.org
Sehr unkompliziert!
Kosten f�r die Famulatur betragen 25$/Tag, daf�r wird ein Zimmer gestellt und 3x/Tag Essen serviert. (W�hrend man in Sittilingi ist, hat man so gut wie keine Ausgaben.)
- Unterricht
- Kein Unterricht
- Inhalte
- Bildgebung
Fallbesprechung
EKG - Tätigkeiten
- Chirurgische Wundversorgung
Praktische Maßnahmen unter Aufsicht
EKGs
Röntgenbesprechung
Patienten untersuchen
Braunülen legen
Gipsanlage
Mitoperieren
Blut abnehmen - Dienstbeginn
- Nach 8:00 Uhr
- Dienstende
- 16:00 bis 17:00 Uhr
- Studientage
- 1x / Woche frei
- Tätigkeiten
- Essen frei / billiger
Unterkunft gestellt
Kleidung gestellt - Gebühren in EUR
- 25$/Tag
Noten
- Team/Station
- 1
- Kontakt zur Pflege
- 1
- Ansehen des PJlers
- 1
- Klinik insgesamt
- 1
- Unterricht
- 2
- Betreuung
- 1
- Freizeit
- 2
- Station / Einrichtung
- 2
- Gesamtnote
- 1
Durchschnitt 1.2
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